Montag, 19. Januar 2009

Jugendhilfe in der Kritik

19. Januar 2009
Betroffene werden immer jünger

Sind es vor 15 bis 20 Jahren noch gut 90 Patienten gewesen, die ihm pro Jahr vorgestellt wurden, sind es heute eher 300. "Dabei werden die Betroffenen immer jünger, elterliche Inkompetenz größer und auch der Alkoholmissbrauch im Jugendalter und die Zahl der Suizidversuche bei Mädchen steigt an." Meistens seien das aber keine Fälle psychischer Störungen, "obwohl auch die zugenommen haben". Zudem seien die Belastungen von Kindern und Jugendlichen durch Verwerfungen in den Familien und durch Migration größer geworden, bei gleichzeitig mangelhaften Integrationshilfen.

Neue Westfälische, 16. Januar 2009

12. Januar 2009
Aktiver Gesetzgeber

Die erschütternden Fälle von Kindesverwahrlosung und Missbrauch haben eine Reihe von gesetzgeberischen Initiativen ausgelöst. Dazu gehören die erweiterten Vorsorgeuntersuchungen und die strengeren Führungszeugnisse.

Erweiterte Vorsorgeuntersuchungen sollen Missbrauchs- und Verwahrlosungsfälle mindern. (ddp) Nun soll das „Bundeskinderschutzgesetz” den Schutz der Kinder deutschlandweit verbessern.

Der Westen, 12. Januar 2009

30. Dezember 2008
EU-Kommission will genau hinschauen

Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich nach einem Traum vom Jugendamt aufgewacht? Deutsche Sorgerechtsfälle erregen im Ausland immer mehr Aufmerksamkeit, Jaques Barrot versichert als Vizepräsident, dass die EU-Kommission „besonders heikle Fälle mit außerordentlicher Genauigkeit verfolgt“. Schon fällt das Scheinwerferlicht auf Bamberg. Dort soll ein Gutachter einer Mutter eine Krankheit bescheinigt haben, die es gar nicht gibt. Dennoch bekommt sie ihre Tochter nicht wieder.

Das erinnert an Mönchengladbach. Dort hat ein Elternpaar im Sommer 2008 vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf einen Erfolg gegen Jugendamt und Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt erzielt. Bescheinigt werden Verfahrensfehler, kritisiert wird, dass sich Gerichtsentscheidungen an einem veralteten Gutachten orientiert haben.

Und die Tochter Jessica des Elternpaares, die seit über vier Jahren im Schloss Dilborn lebt? Ist immer noch dort. Auf die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Düsseldorf hat das Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt nämlich nach dem Motto „Der gleiche Fall - die gleiche Richterin“ reagiert. Man kennt sich: Ein Familienrichter den Gutachter der Mönchengladbacher Familie so gut, dass man sich auch bei Veranstaltungen an der Hochschule Niederrhein trifft.

Kindeswohl müsse vor Elternrecht rangieren, sagen sie mit anderen und gehen so weit, dass die Eltern ihrer Tochter Weihnachten 2008 Geschenke nicht einmal mehr persönlich im Heim überreichen dürfen. Und die Bundeskanzlerin? Die weiß nach ihren Angaben fast von nichts. Und die Bundesfamilienministerin? Die weiß ebenso viel.

Derweil werden Jessica aus Mönchengladbach immer weiter Probleme bescheinigt. Wäre das Elternhaus dafür verantwortlich, wäre das Geschrei groß, das Mädchen lebt aber in einem Heim, das alles an sich gezogen hat. Deshalb: herrscht Schweigen. Schon viel zu lange.

Und was macht der Gutachter? Der schwärzt den Verfasser dieser Zeilen als Redakteur an, wo er nur kann. Angeblich sogar bei der Staatsanwaltschaft in Mönchengladbach. Täte das ein Elternpaar, würde man dafür sicherlich sogar eine Krankheit finden, die es möglicherweise auch noch gibt…

15. Dezember 2008
Brutale Methoden

Das Leid, das Eltern und Kindern im Namen des “Kindeswohls“ von Jugendamtsmitarbeiter/innen angetan wird, deren Handlungsweise schon von Marcin Libicki, dem Vorsitzenden der EU-Petitionskommission in Brüssel, als “brutale Methoden“ angeprangert wurde, interessiert keinen oder wird billigend in Kauf genommen. Eine Heilung im Jugendhilfebereich des Jugendamts von innen heraus sehen wir nicht.

openPR

9. Dezember 2008
Ein Herz für Kinder? Vielleicht: später einmal...

Portugal erschüttert ein Missbrauchsskandal, in Wien wird ein Junge nach Rumänien zurück geschickt, obwohl das Gericht noch gar nicht entschieden hat, wo der Elfjährige zukünftig leben soll, im Schwarzwald sinnt man darüber nach, warum Jugendämter einen schlechten Ruf haben und in Niedersachsen hat die Landesregierung einen Gesetzentwurf zur Förderung der Gesundheit und Verbesserung des Schutzes von Kindern auf den Weg gebracht.

Zur gleichen Zeit meldet sich ein Sechsjähriger aus Norddeutschland bei einer Spendenaktion und wünscht sich einen Schokoladen-Weihnachtsmann, irgendwo auf der Welt sitzt jemand und stellt Kinderpornografie ins Netz, wogegen der Polizei in einigen Wochen sicherlich wieder ein großer Erfolg gelingen wird. Verhaftet werden: Polizeibeamte, Ärzte, Lehrer, Angestellte und Arbeiter. Denn: Diese Welt hat die Seuche - und feiert einmal im Jahr dagegen den „Tag der Menschenrechte“.

„Lasset die Kindlein zu mir kommen“ gilt nicht einmal mehr Heiligabend, denn in Mönchengladbach haben sie resigniert: Dort zu Stadt ist man in den Kindertagesstätten schon froh darüber, dass man die Kleinen noch sauber und trocken halten kann, für alles andere fehlt das Geld, das einige Städte ein paar Kilometer weiter zwar noch haben - aber die pfeifen inzwischen auf das Kreisjugendamt. Zu teuer, sagen sie.

Auf den Schreibtischen des Petitionsausschusses des Europäischen Parlaments stapeln sich derweil die Beschwerden über deutsche Jugendämter und einige rufen immer lauter: „Abschaffen!“ Wenn einem nichts mehr einfällt, fällt einem eben nichts mehr ein, obwohl: Immer noch gibt es Behörden, denen es an Einfallsreichtum nicht mangelt. Die lassen sich so was einfallen: Eine noch nicht einmal Einjährige müsste ein paar hundert Meter zu ihren Eltern getragen werden, die alle 14 Tage auf ihr Kind warten. Da bestehe höchste Traumatisierungsgefahr, hat dieses Jugendamt wahrscheinlich eine Gefahrenquelle weltexklusiv.

Die Aktion „Ein Herz für Kinder“ ist in diesen Tagen 30 Jahre alt geworden und schon im Greisenalter. 15 Millionen Euro sind nur noch ein Tropfen auf den heißen Stein einer Welt, in der die Schwachen einen Stempel bekommen: „Almosen ja, Zukunft vielleicht später einmal“. Wie heißt es doch so schön: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Das kann man gar nicht früh genug begreifen.

2. Dezember 2008
Therapeut ruft zu Mahnwache auf

Der Fall ist kompliziert. Von Gerichten, Gutachten, Befangenheitsantrag und jetzt öffentlicher Mahnwache ist die Rede. Und immer geht es und bleibt die Frage: Was tut dem Kind gut?

Das Kreisjugendamt Borken mit seiner Nebenstelle Gescher jedenfalls wird am kommenden Donnerstag im öffentlichen Fokus stehen. Denn der Gescheraner Psychotherapeut und Diplom-Psychologe Ferdinand Hadasch hat zu einer Mahnwache aufgerufen.

Westfälische Nachrichten, 1. Dezember 2008

1. Dezember 2008
Halle: Verwaltung gesteht Fehler ein

Heiß her ging es am Freitagabend im Intercity-Hotel in Halle-Neustadt. Der Deutsche Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) hatte Träger und Verwaltung zu einer Diskussionsrunde eingeladen, um über die allgemeine Situation der Jugendhilfe in der Saalestadt, das Fachkonzept und insbesondere die umstrittene Dienstanweisung, mit der Heimkinder vorrangig zurück in ihre Familien geschickt werden sollten und mit der die Stadt Halle (Saale) bundesweit für Schlagzeilen sorgte, zu debattieren. Dabei hat die Stadtverwaltung erstmals öffentlich Fehler eingestanden.

Halle Forum, 1. Dezember 2008

28. November 2008
Sexuellen Missbrauch verhindern

„Kinder und Jugendliche müssen ganz besonders vor Straftaten – insbesondere vor Sexualdelikten – geschützt werden. Aus der kriminologischen Forschung wissen wir, dass solche Taten oft traumatisierende und lang anhaltende Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Kinder haben. Deshalb muss alles getan werden, um solche Taten zu verhüten. Häufig suchen sich Täter mit pädophilen Neigungen gezielt Arbeits- und Beschäftigungsfelder im Umfeld von Kindern. Künftig wird daher allen Personen, die im kinder- und jugendnahen Bereich beschäftigt werden wollen, ein erweitertes Führungszeugnis erteilt, in dem die relevanten Verurteilungen zu Sexualstraftaten auch im untersten Strafbereich aufgenommen sind. Denn nicht selten sind Täter, die wegen Vergewaltigung oder sexuellem Missbrauch straffällig werden, bereits zuvor wegen anderer Sexualstraftaten wie beispielsweise dem Herunterladen von Kinderpornographie zu geringeren Strafen verurteilt worden. Mit dem erweiterten Führungszeugnis stellen wir sicher, dass sich potenzielle Arbeitgeber über sämtliche Vorverurteilungen wegen Sexualdelikten informieren können und gewarnt sind. So können sie verhindern, dass Bewerber mit einschlägigen Vorstrafen im kinder- und jugendnahen Bereich als Erzieher in Kindergärten, aber auch als Schulbusfahrer, Bademeister, Sporttrainer oder Mitarbeiter im Jugendamt beschäftigt werden“, sagte Zypries.

Neue Juristische Wochenschrift, 26. November 2008

20. November 2008
Viel verändert

Was hat sich in den vergangenen 19 Jahren seit der Kinderrechtskonvention verbessert?

Im sozialen Bereich hat sich viel verändert. Es sind zahlreiche neue Kinderbetreuungsstätten, Auffangstrukturen und spezialisierte Heimeinrichtungen entstanden, in denen Kinder mit Lernbehinderungen oder psychischen Problemen behandelt und therapiert werden können.

Luxemburg Wort, 20. November 2008

13. November 2008
Höchst sensibel

Bei Verdachtsmomenten auf Kindesmisshandlung reagieren Ärzte und Behörden nach dem Fall Luca und dem Inzestfall von Amstetten höchst sensibel. Die 29-jährige Sandra Wiesinger geriet so durch mögliche Überreaktionen von Kinderärzten des Klinikums Amstetten in einen Existenz bedrohenden Teufelskreis.

Kurier, 29. Oktober 2008

24. Oktober 2008
Weniger Geld für offene Kinder- und Jugendarbeit

In der Kinder- und Jugendhilfe im Bezirk Mitte geht die Angst um. Grund: ein Haushaltsloch im Etat. Dem Bezirk fehlen für das kommende Jahr rund 400 000 Euro für den Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit. Das könnte bedeuten, dass zehn bis zwölf Stellen gestrichen werden müssten. Die Folge: Bis zu drei Jugendeinrichtungen könnten komplett geschlossen werden.

Hamburger Abendblatt, 24. Oktober 2008

13. Oktober 2008
Jugendhilfe in Rostock: Funktioniert auch nicht

Versprochen: Fragen werden nicht gestellt. Rostock gibt im Jahr 29 Millionen Euro für die Jugendhilfe aus. Das ist eine Steigerung seit 1995 um 80 Prozent. Mit einem Babyboom, der im Laufe der Zeit für eine steigende Kinderzahl gesorgt hat, kann dieser Anstieg aber nicht erklärt werden.

Immer noch versprochen: Fragen werden nicht gestellt. Zurzeit blättern die Stadtmütter und Stadtväter in einem Bericht mit einem Satz wie ein Peitschenhieb: „Es fällt schwer, die ausgewiesenen Aufwendungen als Ausdruck tatsächlicher Aufwendungen zu werten.“ 380 Seiten umfasst dieser Bericht. Das Urteil ist vernichtend: „Der Ressourcenverschleiß an Zeit, Geld und Personal ist hoch und die Ergebnisse sind suboptimal.“ In einigen anderen deutschen Städten sind sie nicht einmal das.

Weiter versprochen: Fragen werden nicht gestellt. Verfasser des Berichtes ist mit Jochen Rößler ein SPD-Politiker, der in Schwerin als Sozial- , Finanz- und Kulturdezernent gearbeitet hat. Die Arbeit an dem Bericht über die Jugendhilfe in Mecklenburg-Vorpommern hat er 2007 begonnen. Mit der Personaldecke haben die Mängel in der Jugendhilfe nichts zu tun, stellt er fest. Es liegt: sozusagen am Material.

Versprochen ist versprochen: Fragen werden nicht gestellt. Das Geld für die Jugendhilfe kommt laut Rößler nicht dort an, wo es ankommen soll. Offenbar finden die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Kanäle für einen effektiven Geldstrom nicht. Möglich ist sogar: Einige Bedienstete wissen nicht einmal, wie sie solch einen Kanal finden können.

Da erübrigen sich Fragen: Eins ist perfekt bei der Jugendhilfe. Nämlich: das Durcheinander. Besonders im Jugendamt. Jedes Konzept ist gleich wieder über den Haufen geworfen worden. Älter werden junge Leute bekanntlich wie von selbst und irgendwann ist die Jugendhilfe für sie nicht mehr zuständig…

Von der Bildfläche verschwinden Kinder und Jugendliche am schnellsten, wenn man sie in Heime steckt. Das passiert in Rostock doppelt so schnell wie in anderen Städten dieses Bundeslandes - und schon sind 22,3 Millionen Euro des Jugendhilfe-Etats weg.

Auf diesen Bericht reagieren will der Jugendhilfeausschuss mit: unbequemen Fragen an das Jugendamt. Die Ausschussmitglieder müssen sich beeilen, denn auch die Verwaltung will reagieren. Mit: 3,5 Millionen Euro weniger für die Jugendhilfe.

Motto: Wenn das Geld schon nicht dort ankommt, wo es ankommen müsste, dann geben wir es einfach nicht mehr aus.

Nun versteht sicherlich jeder: Fragen werden nicht gestellt…

Referat der Religions-Pädagogin Christa Schudeja in der Evangelischen Akademie Bad Boll, 24. November 2007
Auslandsprojekte der Jugendhilfe

Referat zur Tagung „Umerziehung“

Für die Einladung bedanke ich mich und begrüße es sehr, dass Herr Schäfer die Initiative ergriffen hat, auf die Erscheinungen der schwarzen Pädagogik in der Kinder- und Jugendhilfe mit dieser Tagung zu reagieren.

2006 ließ ich mich auf ein berufliches Abenteuer ein. Das Individualpädagogische Projekt des Martinswerkes Dorlar e.V. in Rumänien, reizte mich, da ich hier meine langjährigen Erfahrungen in der Kinder- und Jugendarbeit, mein therapeutisches Wissen und meine Landes- und Sprachkenntnisse in Rumänien einbringen konnte. 2002 war ich auf einer Solotour durch die östlichen Grenzländer in Nordrumänien hängen geblieben und hatte die als rückständig bezeichnete Region Maramuresch kennen und lieben gelernt.
Die Konzeption des Martinswerkes – Leben ohne Konsum, einfach aber herzlich – sprach mich an. Genauso hatte ich es selbst erlebt.
Was ich allerdings in den Dörfern um Sighisoara vorfand, hatte mit dem Versprechen nichts mehr zu tun. Es handelte sich hier um ausgelagerte Heimplätze des Martinswerkes. Meine Kritik vor Ort wurde abgewehrt und ich kündigte. Durch Gespräche mit ehemaligen Mitarbeitern in Auslandsprojekten wurde ich ernüchtert. Hinter den viel versprechenden Offerten der Betreiber steht ein knallhartes Geschäft, wie das auch der Bericht am 3.4. 07 bei Frontal21 verdeutlicht hat.

Professor Paetzold von der Fachhochschule für in Cottbus äußert sich wie folgt:

„Von den ganzen Auslandsprojekten, die ich im Lauf der Zeit kennen gelernt hatte, waren (subjektiv geschätzt) 90% unsolide und fachlich nicht verantwortbar und ausschließlich dazu da, den Projektleitern als Gelddruckmaschine zu dienen. 2 (kleinere) konnte ich besuchen, bei denen es wirklich Sinn machte, hier führten aber die Betreuer selbst die Projekte in Deutschland weiter und zu einem guten Ende.“

Die ehemals kleineren und engagierten Projektbetreiber sind von den großen Anbietern längst verdrängt und die so genannten „Sozialferien“ bezahlen Jugendämter nur noch selten. Inzwischen laufen die Geschäfte aber weiter, vorrangig über Kinder- und Jugendpsychiatrien, die Auslandsprojekte als Bestandteil der Therapie verkaufen und über die Jugendgerichtshilfe, die Intensivtäter zwangsweise ins Ausland abschiebt.

Das Martinswerk werkelt noch

Es ist nun schon ein Jahr her, dass die Auslandsmaßnahme des Martinswerkes Dorlar e.V. in die öffentliche Kritik geriet. Angeprangert wurde u.a. die Ausbeutung der Bauern in Rumänien, bei denen die Kinder und Jugendlichen aus Deutschland für 250€ im Monat untergebracht und versorgt wurden. Nachzulesen im SPIEGEL 44/2006

Die Martinswerkelei in Rumänien

Laut Prospekt ist die Maßnahme für Kinder und Jugendlichen gedacht, die in den bestehenden Maßnahmen nicht erreicht werden konnten, nämlich Schulverweigerer, Wegläufer, stark Verhaltensauffällige und emotional Deprivierte.

Neben Schulunterricht hat das untergebrachte Kind oder der Jugendliche auch noch Zeit zur Freizeitgestaltung, „nachdem er alle Pflichten erledigt hat: die Pflege der Felder, der Gärten und des Viehs“. Die Kinder und Jugendlichen werden auf den Höfen regelmäßig (2 mal pro Woche) besucht, so heißt es im Werbeprospekt des Martinswerkes für die Jugendämter.

Ich ging davon aus, Kindern und Jugendlichen durch eine Auszeit neue Perspektiven zu eröffnen, so wie es diese Maßnahmen fast alle versprechen. Ich meinte dort übersättigte konsumorientierte Jugendlichen vorzufinden, denen es gut täte, wenn sie den Kohleofen anheizten, statt an der Heizung zu drehen und die Schippe in die Hand zu nehmen, um den Schnee vom Hof zu schaufeln. Doch da hatte ich mich gewaltig geirrt. Vor Ort fand ich zwei Sonderschüler vor, die durch das regelmäßige Ausmisten der Ställe diszipliniert werden sollten. Ein entwicklungsgestörter17jähriger Junge aus Lünen, der vor der Maßnahme drei Monate in einem Keller gehaust, wies starke psychische Störungen auf und drohte mit Selbstmord, wenn er nicht zurück dürfte. Ein depressiver 14jähriger Junge wurde von seinem liebevollen arbeitslosen Pflegevater mit dem Stock geschlagen, weil er den Teppich nicht ausklopfen wollte und kurz darauf wurde ihm ein Kehrblech hinterhergeworfen. Er flüchtete vom Hof und suchte beim Dorfpfarrer Schutz. Diese Gewaltanwendungen waren für die Mitarbeiter des Martinswerkes kein Anlass den Jungen aus der Familie zu nehmen. Ein 15jähriger Junge aus Köln, zuvor im Martinswerk untergebracht, hatte sich den Aufenthalt in Rumänien mit einem üblen Streich eingehandelt: Er war mit dem Auto einer Erzieherin in Dortmund über die Autobahn gerast und daraufhin in die Kinder- und Jugendpsychiatrie Mühlhausen in Thüringen gebracht worden. Dort stellte man ihn vor die Wahl: weiterer Psychiatrieaufenthalt oder Arbeiten auf dem Bauernhof in Transsylvanien.

So werkelten nun diese Jungs in Ställen und auf Feldern, um sich frei zu werkeln. Sie wurden danach beurteilt, wie sie ihre Aufgaben erfüllten und das hieß, die von den Bauern angeordneten Tätigkeiten mittaten. Sie gaben sich Mühe, denn sie alle wollten so bald als möglich nach Deutschland zurück, bis auf den leicht behinderten C. aus Leipzig, denn der hatte nach drei Jahren keinen Kontakt mehr nach Deutschland.

Das Schweigen der Ämter

„Gegen so einen großen Träger kommen sie nicht an“, riet mir ein Anwalt in Düsseldorf, den ich die Missstände schilderte. „Gehen sie an die Öffentlichkeit“, so seine Empfehlung. Meine Kritik hatte ich zuvor sowohl dem Leiter des Martinswerkes Herrn Has, als auch der Erziehungsleitung, Herrn Vogelheim mitgeteilt. Auf meine telefonische Nachfrage bei Herrn Has erfolgte keine Reaktion. Da leitete ich die Kritik an das Familienministerium weiter, mit dem ich zuvor Kontakt aufgenommen hatte. Auch da erhielt ich keine Antwort. Der Journalist und Autor Peter Wensierski nahm sich der Sache an und auf seinen Artikel im SPIEGEL im Oktober 2006 reagierte das Ministerium nur zögerlich. Mir wurde mitgeteilt, dass man nicht wüsste, um welches Martinswerk es sich handelte und dass das Ministerium nicht zuständig sei. Inzwischen hatte ich auch alle zuständigen Landesjugendämter schriftlich informiert und nur von Leipzig eine Rückmeldung erhalten.

Das Martinswerk und sein Netz-Werk

2005 wurde in Rumänien ein eigener Arbeitskreis Deutscher Jugendhilfeeinrichtungen gegründet, nachdem die Träger aus Deutschland in Rumänien in die öffentliche Kritik gerieten. Die Sache war aber schnell vom Tisch, man machte Fassadenpflege und Vizekonsul Münch wurde in den Arbeitskreis mit eingebunden. 2006 gehörten u.a. zum Arbeitskreis: Kinderheim Haus Wildfang, die Evangelische Gesellschaft Stuttgart, das Kap-Institut, die Life-Jugendhilfe und Bert Schumann mit seinem Projekt Maramuresch in Nordrumänien. Der ehemalige Mitarbeiter der Diakonie lässt – laut Prospekt - seelisch kranke Kinder ab 11 Jahren zwangsarbeiten und als Strafmaßnahme setzt er diese schon mal 30 km weit vom Standort aus oder ließ sie in polizeiliches Gewahrsam nehmen. Dies schilderte Bert Schumann in einer Mitgliederversammlung, an der auch Herrn Münch teilnahm, der sich heute daran nicht mehr erinnern kann. Wie mir ein Junge aus dem Jugendhof Werkschule Cund, den man für einige Wochen zu Schumann nach Nordrumänien schickte, im Herbst 2006 berichtete, bekam Herr Schumann auch „Leute aus dem Boxcamp“ zu Besuch. Den Jugendhof Werkschule Cund empfahl - schön bebildert – noch im April 2007 Herr Kannenberg als „Sondermaßnahme“ auf seinen Internetseiten. Zeitgleich hatte die Werkschule ein interessantes Jobangebot offeriert: man suchte einen Mitarbeiter zur Betreuung eines 15-jährigen geistig behinderten Jugendlichen in Rumänien.

Die Werkschule ließ sich 2007 vom rumänischen Fernsehen mit einem Bericht “Isoliert in Rumänien“ in Szene setzen. Es wurden ehemals drogenabhängige Jugendliche gezeigt, die im ärmlichen Dorf Cund ein neues Leben in der Werkstatt von Schäfers beginnen, indem sie für ihn arbeiten.
Zum Netzwerk des Martinswerkes in Deutschland gehört auch die Justiz. In seiner Offerte für das Island-Projekt macht das Martinswerk deutlich, dass zur Klientel Jugendliche gehören, die von ihrem Jugendrichter die Auflagen bekommen haben, am Jugendhilfeprojekt teilzunehmen.

Empfehlungen für die Maßnahme in Rumänien gab auch die Ökumenische Kinder- und Jugendpsychiatrie Mühlhausen in Thüringen, mit denen das Martinswerk eng zusammen arbeitete und in die fast alle Teilnehmer zuvor eingewiesen wurden.

Die lukrativen Therapie-Werkstätten

Es lässt sich mit der Hilflosigkeit der Behörden gegenüber den Kindern und Jugendlichen, die Verhaltessauffälligkeiten zeigen, zu Suchtmitteln greifen oder sich prostituieren, gut Geld verdienen. So werden verschiedene „heilsame Therapieangebote“ offeriert, die letztlich die Grundproblematik leugnen. Es wird am „Problemkind“ gewerkelt und nicht an den Ursachen, welche die Problematik hervorriefen. Therapien werden ersetzt durch Arbeit, Einöde, Isolation oder Sport. So kommt der drogenabhängige Jugendliche beim Martinswerk nach Island zur Entgiftung und erhält ein „stark strukturiertes, arbeitspädagogisch ausgerichtetes Programm“. Er kommuniziert dort „teilweise in englischer Sprache, denn diese „sprachliche Barriere ist erwünscht, da sie ihm die Möglichkeit zur Diskussion mit den Pflegeeltern über die Notwendigkeit der gestellten Aufgaben“ erschwert. „Der Alltag auf der Farm wird durch die Bewirtschaftung der Farm gesteuert“, so im Prospekt formuliert. Die Einöde wird als Mittel zur „Selbstbesinnung“ und „Bearbeitung von Reizüberflutung“ verkauft. Die „einfachen Verhältnisse“ mit denen viele Betreiber werben, sind billige Unterkünfte, welche die Kosten niedrig halten. Die Ausnutzung der Jugendlichen als Arbeitskraft – tägliche Arbeitseinsätze -wird zur berufsvorbereitende Maßnahme deklariert. So ließ sich Schumann in der Maramuresch sein Haus mit der Arbeitskraft der Kinder ausbauen. Ich erlebte zwei Jugendliche im Herbst 2006, als sie an einem Samstag beim Ausbau des Hauses seines Vorarbeiters, Herrn Budai, im Dorf Ieud eingesetzt wurden. Sie kamen aus Leer und Dresden.

Warum wir „Problemkinder“ brauchen

Das Martinswerk fühlt sich dem „christliche Menschenbild“ verpflichtet, indem es – laut Prospekt - den jugendlichen Menschen „mit allen seinen Fehlern“ anzunehmen bereit ist. Die Minderjährigen werden als fehlerhaft erklärt – also nicht richtig. Die Schuld für das Versagen von Erziehung und Gesellschaft wird auf den Heranwachsende geschoben, indem er zum „Problem“ erklärt wird.
Entwicklungsstörungen, Suchtverhalten und Verhaltensauffälligkeiten sind aber nicht deren Schuld. Sie stehen immer mit erzieherischen Missgriffen in Zusammenhang. Die schwarze Pädagogik aber geht davon aus, dass der junge Mensch aus „bösem Willen“ gegen die Weisungen Erwachsener handle und leitet das Recht daraus ab, ihn zu sanktionieren.

Das Modewort „Problemkids“ zeigt die ganze Hilflosigkeit der Helfer auf. Die Pädagogik stellt sich eine Bankrotterklärung aus, wenn sie Heranwachsenden eine so genannte „letzte Chance“ einräumt, die als Vorwand dient, um sich über Menschenrechte und Menschenwürde hinwegzusetzen. Zwangsausweisung ins Ausland oder Wälzen in Gülle und weitere Misshandlungen, wie sie in der Jugendhilfeeinrichtung von Lothar Kannenberg stattfanden, werden damit gerechtfertigt.

Es sind vorwiegend Kinder und Jugendliche, von meist überforderten Eltern, überlasteten Müttern oder aus kaputten Familien, die im Hartz-IV-Land am Existenzminimum leben, verschuldet, gedemütigt von Behörden oder suchtkrank. Aber es sind eben auch ungewünschte und ungeliebte Kinder, die beispielsweise in neuen Familienkonstellation keinen Platz mehr finden, weil sie unbequem werden. So werden sie, weil sie den Erwartungen nicht entsprechen, oft wie ein fehlerhaftes Kaufobjekt reklamiert und abgegeben. Soziale Verwahrlosung trifft heute Familien aus allen sozialen Schichten.

Ob Werkeln und Stallmisten in Rumänien, Überlebenstraining im heruntergewirtschafteten Siebenbürger Pfarrhaus oder Zwangsboxen in Hessen – die Therapieangebote sind vielfältig und erfolgreich - zumindest für die Taschen der Betreiber.

Welche Maßnahmen im Ausland können Sinn machen?

(Hier einige Vorschläge, für zeitlich begrenzte Reiseprojekte oder Praktika )

1.Es handelt sich um Jugendliche, die keine psychischen Störungen aufweisen.
2.Es handelt sich um ein Reiseprojekt, welches eine wirkliche Reise ist, also sich über einen überschaubaren Zeitraum erstreckt.
3.Die Erlebnisse finden später im Umfeld des Jugendlichen Beachtung, beispielsweise durch eine Ausstellung.
4.Die Betreuungsperson ist eine feste Bezugsperson, welche vorher, während der Reise und auch nachher den Jugendlichen betreut.
5.Während der Zeit der Reise wird mit der Herkunftsfamilie intensiv gearbeitet, bzw. diese wird direkt oder indirekt in die Vorbereitung und Nachbereitung mit einbezogen.
6.Es handelt sich um Praktika bei gemeinnützigen Organisationen, über die der Jugendliche Nachweise erhält und welche in berufsvorbereitende Maßnahmen in Deutschland eingebunden sind.
7.Es wird eine Expedition mit Experten durchgeführt, in Form von Teamtraining, bei dem der junge Mensch soziales Verhalten mit der Gruppe reflektieren kann.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit

Anmerkung 3/2008

Menschenrechtsverletzungen – die Grenzen der Diskussion

Über Erziehungsstile kann diskutiert werden. Über Menschenrechtsverletzungen bin ich nicht bereit zu diskutieren. Ich prangere diese „freiwillige“ Verpflichtung der Minderjährigen für Auslandsmaßnahmen als Freiheitsberaubung an. Ich prangere die Bundesregierung des Missbrauch der Gastfreundschaft eines Landes an, wenn die Alternative zur „Auslandsmaßnahme“ der Strafvollzug bzw. die Einweisung in die Psychiatrie ist.

Es ist mehr als bedenklich, dass der Bundespräsident zu den Menschenrechtsverletzungen im Trainingscamp auf Gut Kragenhof von Lothar Kannenberg (gezeigt im ZDF am 23.3.2005) Beifall klatschte, indem er im August 2005 Herrn Kannenberg bei der Verleihung der Verdienstmedaille wie folgt äußerte: „Ich freue mich, dass Sie Ihre Arbeit, von der Sie mir im vergangenen Jahr einiges gezeigt haben, auch in Ihrem Trainingscamp Gut Kragenhof eindrucksvoll fortsetzen.“

Wenn uns diese Kinder und Jugendlichen, die uns inzwischen auch in den Medien (RTL, Teenager außer Rand und Band) als Therapie-Objekte vorgeführt werden, später fragen werden, warum wir das zuließen - welche Antwort können wir ihnen dann geben?

Christa Schudeja

Anmerkung:
Den von mir erhobenen Vorwürfen liegt umfangreiches Beweismaterial vor.

Medienberichte über Auslandsmaßnahmen

SPIEGEL 44/06

ZDF Frontal 21 3.4.2007 „Verschoben und vergessen“
Schwer erziehbar, verhaltensauffällig oder straffällig - wenn deutsche Behörden mit Jugendlichen überfordert sind, können sie diese als erzieherische Maßnahme ins Ausland schicken. Dort bleiben sie mitunter jahrelang.

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/49084


ZDF Mona Lisa 20.1.2008 Problemkinder ins Ausland
Marcel hat in Deutschland fast 40 Straftaten begangen, als Alternative zum Jugendknast hat man ihn hierher geschickt: im Fäkaliendampf soll er zur Reue finden

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/400626

Freitag, 16. Januar 2009

Projekte für Schutz von Kindern

16. Januar 2009
Die Kleinsten schützen

„Die Jüngsten und Kleinsten zu schützen ist eine der vorrangigen Pflichten unserer Gesellschaft.“ Mit diesen Worten stellte Bürgermeister Thomas Hirsch als zuständiger Sozial- und Jugenddezernent der Stadt Landau in der Pfalz einen Leitfaden zum praktischen Handeln im Bereich des Kinderschutzes vor, der in diesen Tagen an über 100 Netzwerkpartner im Raum Landau verteilt wird. Der Ordner enthält wichtige Adressen, Beratungshilfen, Checklisten und Hintergrundinformationen für die in der Kinder- und Jugendhilfe und –betreuung tätigen Personen und Institutionen.

mrn-news, 14. Januar 2009

13. Januar 2009
Jugendämter und Justiz sollen Kinder besser schützen

Hannover. "Es kann nicht oft genug betont werden: Kinder brauchen unsere besondere Aufmerksamkeit. Sie vor Missbrauch und Vernachlässigung zu schützen, muss unser oberstes Ziel sein", unterstreicht Niedersachsens Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann ihren Einsatz für Kinderschutz. Gemeinsam mit Justizminister Bernd Busemann bündelt sie Kräfte für einen besseren Kinderschutz in Niedersachsen. Zusammen bieten sie eine Fortbildungsreihe für Fachleute aus Jugendämtern und Justiz im familiengerichtlichen Verfahren an.

Die Fortbildungsreihe richtet sich an Familienrichterinnen und Familienrichter, Leitungskräfte der Jugendämter, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte des Familienrechts, Verfahrensbeistände und Sachverständige sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Beratungsstellen.

"Die Fachleute müssen auf das schnelle Erkennen gefährdeter Kinder geschult werden, um zügig reagieren und im Interesse des Kindeswohls eingreifen zu können", so Mechthild Ross-Luttmann. Bernd Busemann ergänzt: "Der Austausch der beteiligten Professionen fördert ein besseres Verständnis für die jeweiligen Aufgaben. Den Teilnehmern werden die rechtlichen Neuerungen und ihre Auswirkungen auf die Praxis vorgestellt. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zu verbessern, um ein effektiveres und schnelleres Eingreifen zu ermöglichen. Dadurch verlieren wir weniger kostbare Zeit vor und in Gerichtsverfahren."

Grundlage für die Qualifizierungen sind die neuen Regelungen im "Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls" (KiWoMaG) und im "Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit" (FamFG) sowie deren zukünftige Umsetzung. Unter dem Titel "Zusammenarbeit der Professionen im familiengerichtlichen Verfahren" werden folgende Themen behandelt:

-Familiengericht und Jugendamt: Neue Formen der Zusammenarbeit nach KiWoMaG und FamFG

Kindeswohlgefährdung und Abwehrmaßnahmen

Vernetztes Arbeiten im familiengerichtlichen Verfahren - 5 Professionen, 1 Ziel?

Über diese Themen hinaus möchte die Fortbildungsreihe nachhaltige Kooperationsbeziehungen und gemeinsame fachliche Standards der beteiligten Professionen anregen - im Sinne der betroffenen Kinder und ihrer Familien.

Los geht es am 16. Januar in Oldenburg, am 19. Januar in Lüneburg, am 29. Januar in Braunschweig und am 30. Januar in Hannover.

12. Januar 2009
Unbürokratische Hilfe in Backnang

Die Spendentöpfe, die es beim Amt für Familie, Jugend und Bildung der Stadt und beim Kreisjugendamt Backnang gibt, ermöglichen das ganze Jahr über unbürokratische Hilfe. Beide Ämter legen jedes Jahr exemplarisch und in kurzer Form Rechenschaft ab, wie sie das Geld, das aus der Spendenaktion „BKZ-Leser helfen“ der Backnanger Kreiszeitung stammt, verwenden. So berichtet das Jugendamt etwa, wie ein Jugendlicher unterstützt wurde, dessen Vater bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Zuvor schon war die finanzielle Situation der Familie mau, danach erst recht. Dank der Amtshilfe konnte der Junge den Traktor-Führerschein erwerben und eine Ausbildung in der Landwirtschaft beginnen. Der Führerschein war die Voraussetzung dafür.

bkz, 12. Januar 2009

10. Januar 2009
Scheidungen nach dem Cochemer Modell: Kinder behalten Vater und Mutter

„Wenn einer den Gerichtssaal als Sieger verlässt, hat das Kind verloren“, sagt der Familienrichter Jürgen Rudolph, der in drei Jahrzehnten über mehr als 4 000 Scheidungen zu Gericht gesessen hat. 1992 gehörte er zu den Initiatoren des Arbeitskreises Cochem, in dem Vertreter der Lebensberatung, des Familiengerichtes, Gutachter, das Kreisjugendamt, Mediatoren und Anwälte des Landkreises sitzen.

Kinder leiden unter Trennungen, dieses Leid wird verstärkt, wenn sich die Eltern während des Trennungsprozesses in die Haare bekommen. Das will dieser Arbeitskreis verhindern. Schnelle Intervention ist wichtig, weiß Jürgen Rudolph aus Erfahrung. Je schneller reagiert werde, desto mehr Schlimmes könne verhindert werden.

Gelingt es einem Elternteil, das Kind gegen den anderen Elternteil aufzuhetzen, ist für das Kind eine negative soziale Karriere fast schon vorgezeichnet. Das beweisen Forschungen in den USA. Auf solche Forschungsergebnisse greift der Arbeitskreis Cochem oft zurück, denn in Deutschland steckt die Wissenschaft auf diesem Gebiet noch in den Kinderschuhen.

Als Familienrichter kennt Jürgen Rudolph seine Grenzen. Auf psychologische Prozesse könne er keinen Einfluss nehmen. Das habe er als Jurist nicht gelernt. Deshalb: Der Arbeitskreis arbeitet auch mit Psychologen zusammen. Das Ziel der Arbeit aller Beteiligten lautet stets: Dem Kind sollen beide Elternteile erhalten bleiben.

Weitere Informationen über diesen beispielhaften interdisziplinären Cochemer Arbeitskreis gibt es unter www.ak-cochem.de

5. Januar 2009
Seit acht Jahren Gelbe Karte

Das Projekt „Gelbe Karte“ wurde im Bergischen Land im April 2000 eingeführt. Es zielt auf Ersttäter und Fälle der leichten und mittelschweren Kriminalität. Das heißt, es geht um Delikte wie Graffiti-Schmierereien, Beleidigungen, Schwarzfahren oder Mofafrisieren. Möglichst bald nach der Tat werden die jugendlichen Straftäter dann an einem Tag gemeinsam mit ihren Eltern zu einem Termin bei der Polizei geladen.

Westdeutsche Zeitung, 4. Januar 2009

2. Januar 2009
Uni und Stadt arbeiten zusammen

"HEIKE – Keiner fällt durchs Netz" heißt das neue Kooperationsprojekt von Stadt und Universität zur Stärkung des Kinderschutzes. Die Abkürzung steht für "Heidelberger Kinderschutz Engagement", das beide Institutionen gemeinsam ausbauen wollen.

Anlass für die Initiative sind die steigenden Fälle so genannter Kindswohlgefährdungen. Im Fokus stehen dabei insbesondere Kinder im Alter von null bis drei Jahren, die unter kein System sozialer Kontrolle, beispielsweise durch Kindergärten oder Schulen, fallen. Bundesweit sind die Zahlen alarmierend: In Deutschland sterben nach wie vor durchschnittlich zwei Kinder pro Woche infolge familiärer Gewalt. Rund fünf Prozent aller Neugeborenen sind potenziell oder tatsächlich gefährdet. Bei Kindern unter einem Jahr werden diese in der Regel Opfer von Gewalt durch ihre leiblichen Eltern. Oft handelt es sich um Frauen, die bei der Geburt Angst vor dem Leben mit dem Kind haben, um Eltern, die mit Beziehungsstörungen, Arbeitslosigkeit, Alkohol oder Drogen zu kämpfen haben.

Rhein-Neckar-Zeitung, 2. Januar 2009

Montag, 5. Januar 2009

Kindesunwohl

5. Januar 2009
Verein kämpft mit Jugendämtern gegen Kindeswohl

„Ich würde gern den Vorsitz übernehmen“, sagt Heinz-Peter Tjaden aus Wilhelmshaven, der sich als Redakteur seit über einem Jahr mit Jugendämtern, Familiengerichten, Kinderheimen, Aufsichtsbehörden für den Kinder- und Jugendschutz und mit Kinderheimen beschäftigt. Geplant ist die Gründung eines Vereins „Kindesunwohl“. Das Vereinsziel lautet: Unterstützung von Behörden und von Gerichten, die Eltern ins Leere laufen lassen, wenn diese aus unerfindlichen Gründen meinen, sich selbst um ihren Nachwuchs kümmern zu müssen.

„So geht das nicht“, ist sich der 59-Jährige zumindest mit den Jugendämtern in Mönchengladbach und Stuttgart einig. „Doch es werden noch viel mehr sein“, hofft der Redakteur.

Einmal im Jahr soll die hartnäckigste Behörde oder das hartnäckigste Familiengericht mit dem Kindesunwohl-Preis ausgezeichnet werden. Gut im Rennen liegen zurzeit die Mönchengladbacher, denn die sorgen dafür, dass eine Elfjährige seit über vier Jahren in einem Kinderheim lebt und auch mit solchen Äußerungen kein Gehör findet: „Ich finde es doof, dass mich nicht jeder besuchen darf, der mich gern besuchen möchte.“

„Wo kämen wir denn hin, wenn solche Heimkinder wie Jessica Müller dabei bleiben, dass sie lieber wieder zuhause wären? Der Staat würde doch jede Kontrolle über die wichtigste Investition in die Zukunft verlieren“, unterstützt der potenzielle Vereinsvorsitzende das Jugendamt, das dermaßen idyllisch am Niederrhein herumliegt wie auch das Schloss Dilborn, das Jessica beherbergt, nicht schöner gelegen sein könnte.

Allerdings sind die Kindesunwohl-Würfel noch lange nicht gefallen, zumal bis zum 31. Oktober 2009 auch noch andere Vorschläge gemacht werden können. Ernst zu nehmende Konkurrenz bekommen die Mönchengladbacher aus Stuttgart. Das dort beheimatete Jugendamt hat für eine inzwischen Einjährige Pflegeeltern gefunden. Nina entwickelt sich zwar nicht so, wie sich ein Mädchen in ihrem Alter entwickeln sollte, aber: „Das wird schon“ - sagt Heinz-Peter Tjaden.

Für die Entscheidung über den würdigsten Preisträger soll ein Punktesystem entwickelt werden. Der Redakteur aus Wilhelmshaven nennt ein Beispiel: Behörden, die auf Beschwerden von Eltern gar nicht reagieren, bekommen fünf Punkte, Behörden, die zwar antworten, aber alles ablehnen, bekommen vier Punkte, Behörden, die zwar antworten, aber nicht mehr als Besuchsrecht zulassen, bekommen drei Punkte, Behörden, die antworten und sogar eine Zeitlang mit dem Gedanken spielen, Kinder wieder zu ihren Eltern zu schicken, dies aber bleiben lassen, bekommen zwei Punkte, Behörden, die Kinder und Eltern wieder zusammenführen, bekommen einen Punkt.

Vereinsmitglied kann jede natürlich und juristische Person werden, die unbeirrt dabei bleibt: „Kindeswohl? Mit uns nicht!“

Mitgliederliste (Stand 5. Januar 2009, 12.20 Uhr)

Petra Litzenburger
Elterninitiative gegen Mobbing und Gewalt an Schulen (EMGS) e.V.

Hermine Schneider
Heimkinderverband Deutschland, Aachen

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